Herr Dr. Axel Gruhn kennt sich mit chemischen Verunreinigungen, Blindgängern und halbwegs intakten Kampfmitteln des zweiten Weltkriegs bestens aus. Seine Tätigkeiten beim Fachdienst Kampfmittel der HPA gehen über die intensive Beratung hinaus. Er ist auch vor Ort, wenn sein Wissen gefragt ist. Machen Sie sich selbst ein Bild von seinem „Bombenjob“ bei der HPA in unserem Interview.
Name: Dr. Axel Gruhn
Bei der HPA: Seit 2009
Position: Mitglied des Fachdienstes Kampfmittel
Herr Dr. Axel Gruhn studierte Geowissenschaften, die Fachrichtung, in der er später an der Universität Kiel promovierte. Danach arbeitete er durchgehend bis 2009 in verschiedenen Ingenieurbüros in den Bereichen Altlastenerkundung und Wassergewinnung. Während seiner Tätigkeit kam er mit dem Bereich militärische Altlasten in Berührung und entschied sich, diese Richtung weiter zu verfolgen. Nachdem er 2009 bei der HPA anfing und das Projekt Altenwerder leitete, wechselte er in die Abteilung Bauaufsicht und Umwelt. Dort baute er den Fachdienst Kampfmittel mit auf und bringt dort bis heute seine Erfahrung zum Einsatz.
„Da sind zum einen Besprechungen mit Kollegen, die ein Bauvorhaben betreuen oder verantworten. Zusammen besprechen wir was sie vorhaben: Wo wollen sie bauen? Welche Art von Bauwerk soll es sein? Dies wären zum Beispiel: Kaimauer, Schleuse, Deich, Straße, Eisenbahnstrecke, Gebäude, Flächenherrichtung oder Verfüllung eines Hafenbeckens oder eines Kanals. Dann klären wir auch ab, ob in dem Bereich ein Kampmittelverdacht vorliegt. Wenn das noch nicht klar ist, müssen die verantwortlichen Kollegen eine Luftbildauswertung bei der Abteilung Gefahrenerkundung Kampfmittelverdacht (GEKV) der Feuerwehr anfragen. An dieser Stelle führe ich auch eine Beratung durch, um zu klären, welche Bereiche angefragt werden sollten. Dann folgt schließlich die Aufstellung eines Kampfmittelräumungskonzeptes.
Aber der Arbeitsalltag besteht natürlich nicht nur aus Besprechungen, sondern eben auch aus dem kritischen Durchlesen von Konzepten. Das können dann auch mal bis zu 50 Seiten Text mit 10 bis 20 verschiedenen Anlagen sein, die die Verhältnisse auch zeichnerisch verdeutlichen. Dann stimmt sich die Projektleitung mit mir ab, inwiefern das Konzept so übernommen werden kann oder ob noch Änderungen erforderlich sind. Letztendlich werden die erforderlichen Kampfmittelsondierungen ausgeschrieben. Das heißt, es wird zum Teil eine europaweite Ausschreibung oder eine deutschlandweite Ausschreibung oder eine beschränkte Anfrage vorgenommen, um Angebote von Kampfmittelräumfirmen zu erhalten. Das ist auch ein Bereich, zu dem mich meine Kollegen um Beratung bezüglich der Ausschreibungstexte bitten. Einfach, damit die Leistung ausreichend detailliert beschrieben ist und Missverständnisse vermieden werden."
„Es kommen verschiedene Anfragen. Es sind ja nicht nur konkrete Bauvorhaben, sondern auch strategische Planungsvorhaben, z. B. Machbarkeitsstudien. Eine typische Anfrage eines Kollegen wäre z. B.: Ich habe da eine zu überplanende Fläche, gibt es da Probleme mit Kampfmitteln? Allerdings gibt es nicht nur große Bauvorhaben, sondern auch Instandhaltungsarbeiten. Etwa, wenn die Kollegen mal eine Elektroleitung in 1,20 m Tiefe verlegen müssen und dann fragen: Kann ich dort bedenkenlos einen Graben ausheben? An dieser Stelle muss erst einmal gefragt werden: Liegt Kampfmittelverdacht vor? Oder wird einfach nur in dem vorhandenen Kabelgraben die Leitung ausgetauscht? Oder lag während des Krieges die Geländeoberfläche vielleicht deutlich unterhalb der Eingriffstiefe der heutigen Baumaßnahme? Das sind kleinere Anfragen, die dann aber auch ein paar Stunden Recherche, Nachdenken und Rücksprachen nach sich ziehen. So im Schnitt habe ich pro Woche etwa zehn verschiedene Projekte, die ich hier bearbeite. Vom Schreibtisch aus, aber auch ab und zu mal vom Gelände aus, wenn ich mit den Kollegen einen Ortstermin ausmache, um die örtlichen Verhältnisse zu klären."
„Entschärfung, Abtransport und Entsorgung des Kampfmittels übernimmt der Kampfmittelräumdienst der Feuerwehr. Diese Materialien werden dann meist erst einmal zwischengelagert in einem Bunker in Hamburg, zumindest die Objekte, die für ein paar Wochen gefahrlos gelagert werden können. Wenn es instabilere Objekte sind, dann werden diese direkt zu staatlichen Delaborierungsstellen in Schleswig-Holstein oder Niedersachsen transportiert."
„Der Ausbildungsweg ist immer sehr individuell geprägt. Klassischerweise sind Geowissenschaftler für den Beruf prädestiniert, weil sie im Rahmen ihrer Ausbildung gelernt haben, Eigenschaften und Verhalten des Untergrunds beurteilen zu können und dabei dreidimensional zu denken. Die ganze Thematik ist nämlich auch geprägt vom Aufbau des Untergrunds. Außerdem eignet man sich im Verlaufe des Berufslebens bestimmte ingenieurstechnische Kenntnisse an. Viele Personen, auch in den Ingenieursbüros, die sich mit dem Thema beschäftigen, sind Geowissenschaftler. Die Suche nach Kampfmitteln geschieht mittels geophysikalischer Methoden. Denn es ist so, dass die Bombenblindgänger das Erdmagnetfeld verändern - Und deswegen kann man mit Magnetometern aufspüren, wo sogenannte Anomalien des Erdmagnetfeldes vorliegen. Diese Anomalie könnte eventuell eine Bombe sein, könnte aber auch ein altes Stahlrohr, Blecheimer, Seil oder Ähnliches sein. Weiterhin gibt es Methoden, die Elektromagnetik-Messungen oder Radarmessungen verwenden, also alles Verfahren, die im geowissenschaftlichen Bereich, zum Beispiel zur Rohstofferkundung oder bei der Archäologie, angewandt werden. Deswegen ist das Verständnis für das, was bei der Kampfmittelerkundung als Ergebnis herauskommt, bei Geowissenschaftlern eher vorhanden. Darüber hinaus gibt es seit dem letzten Jahr einen offiziellen Ausbildungsgang für Fachplaner Kampfmittelräumung an der Universität der Bundeswehr München."
„Es gibt mehrere große Projekte, die gleichzeitig laufen. Das bekannteste ist natürlich die Fahrrinnenanpassung. Die HPA rechnet damit, dass demnächst alle rechtlichen Bedenken ausgeräumt werden. Für diesen Zeitpunkt sollen dann Schubladen-Lösungen vorhanden sein, sodass schon vorher gewisse Vorarbeiten geleistet werden, um sofort starten zu können. Dies betrifft nicht nur wasserseitige sondern auch landseitige Teilprojekte. Das Projekt ist also sehr vielschichtig, da halten mich die Kollegen auch ganz gut auf Trapp, die Konzepte und Ausschreibungsunterlagen zu sichten."
„Das eine Mal gab es die technische Herausforderung, dass unterhalb einer Brücke ein Störkörper, der ein Blindkörper zu sein schien, geborgen werden musste. Das war recht knifflig. Fremdkörper lagen in acht Meter Tiefe, die Brücke endete schon bei fünf Meter Höhe. Normalerweise benötigen wir lange großkalibrige Bergungsrohre, die in den Untergrund gedreht werden. Doch in diesem Fall mussten kleinere Rohrabschnitte gewählt und auf einen Bohrturm verzichtet werden. Das war also ein besonderer Eindruck von einer Großlochbohrung und Räumung. Letztendlich wurden hier eine 500 lbs-Fliegerbombe und ein Stahlrohr gefunden. Die Bundesautobahn A7 musste für mehrere Stunden für die Entschärfung gesperrt werden. In den häufigsten Fällen werden tatsächlich nur Metallteile gefunden, nur selten handelt es sich um einen Blindgänger. Insgesamt sind es im Hafen etwa ein bis vier Blindgängerfunde pro Jahr.
Ein anderes Mal rief mich ein Mieter an, der sagte es gäbe auf seinem Mietgrundstück der HPA eine Bombe. Nachdem ich gefragt hatte, was es für eine Bombe sei, hatte er erwidert, es sei eine Anomalie bei der Kampfmittelräumung gefunden worden. Dazu muss man wissen, dass es sich bei einer Anomalie allerdings vorerst nur um einen detektierten magnetischen Störkörper handelt, den man weder sehen, noch hören, noch fühlen kann. Er wurde lediglich indirekt nachgewiesen, und ob er überhaupt eine relevante Größe besitzt und ob es sich um eine Bombe handelt, ist zunächst völlig unklar. Üblicherweise hätte ich erwartet, dass ein kompetenter Kampfmittelräumer eine genaue Fundbeschreibung schon abgegeben und bereits Polizei und Kampfmittelräumdienst benachrichtigt hätte. Durch diesen überraschenden Anruf entstand also erst einmal große Aufregung, und dann stellte sich heraus, dass alles zu dramatisiert dargestellt wurde."
"Natürlich den Hafen mit einer Hafenrundfahrt. Dann das Treppenviertel in Blankenese, ein Rundgang um die Außenalster und vielleicht noch ein Besuch im Stadtpark. Sehr beeindruckend ist auch die Parkanlage des Friedhofs Ohlsdorf. Früher habe ich mit meinem Besuch dann auch immer den Telemichel, den Fernsehturm besucht. Die Cafeteria mit Kuchen satt gibt’s ja jetzt leider im Moment nicht."
Vielen Dank für das Interview.