Name: Sebastian Schulz
Bei der HPA seit: 2007
Position: Technischer Projektleiter Neue Bahnbrücke Kattwyk
Sebastian Schulz ist in Hamburg geboren und aufgewachsen. Nachdem er die Schule mit dem Abitur beendet und den Wehrdienst geleistet hatte, ließ er sich bei der Bundeswehr zum Reserveoffizier ausbilden. Anschließend entschied er sich für ein Ingenieursstudium. Mit dem Diplom in der Tasche arbeitete er dann ab 2003 zunächst für einige Jahre freiberuflich in einem Hamburger Ingenieurbüro, um erste berufliche Erfahrungen zu sammeln. 2007 bewarb er sich schließlich als Ingenieur bei der HPA.
Wie sind Sie zu Ihrer jetzigen Position bei der HPA gekommen und was waren Ihre wichtigsten Projekte in dieser Zeit?
Also eine eigentliche Einstellung in einem bestimmten Job, bzw. für ein spezielles Projekt, gibt es in meiner Sparte bei der HPA gar nicht. Ich habe mich beworben und kam dann in den Pool von Ingenieuren, aus dem dann die Leitung und die einzelnen Funktionen für bestimmte Projekte besetzt werden. Ich hatte bei meinem Einstieg und auch später bei der HPA einfach ziemlich viel Glück, tolle Kollegen und Vorgesetzte zu bekommen. Zunächst kam ich in ein sehr interessantes Sachgebiet und wurde unheimlich gut eingearbeitet und bekam dadurch viele Kontakte, von denen ich heute noch profitiere. Die ganzen Jahre bei der HPA bin ich in der gleichen Sparte geblieben, die sich aber im Laufe der Jahre häufiger umbenannt hat. Im Wesentlichen habe ich zwei Projekte betreut: Das Erste war der Ausbau des Burchardkais beim CTB mit dem Neubau der Liegeplätze 3 und 4 für Großcontainerschiffe, also eine große Kaimauerbaustelle. Die Position als Projektleiter hat mir mein damaliger Vorgesetzter Peter Marquard anvertraut. Für mich kam das sehr überraschend, dass mir diese Chance gegeben wurde, und darüber bin ich heute noch dankbar. Nach Fertigstellung der Liegeplätze am Burchardkai setzte mich dann Dr. Olaf Bergen für das heutige Projekt ein, also die Neue Bahnbrücke Kattwyk, wo mich Ulla Roßgotterer zunächst als Ihre Stellvertretung und später dann als Partner beförderte, wo ich nun als technischer Gesamtprojektleiter arbeite.
Wie sieht ein typischer Tag in Ihrem Job aus?
Einen typischen Tag gibt es eigentlich kaum, denn es entwickelt sich immer alles sehr flexibel und situationsbedingt. Meist läuft es um 8 Uhr morgens schon ganz anders, als ich es am Vortag geplant habe. Das liegt daran, dass man als Projektleiter immer darauf eingehen muss, was draußen passiert, denn es geht darum, die Baustelle am Laufen zu halten und Stillstände zu vermeiden. Aber grundsätzlich gehören zu meinen Aufgaben natürlich sehr viele technische Abstimmungen. Außerdem führe ich Vertragsverhandlungen mit den Baufirmen und muss natürlich an die Geschäftsführung berichten.
Welche Fähigkeiten sind neben Ihrer Expertise als Ingenieur besonders gefordert?
Vor allem das Abschätzen von Chancen und Risiken, denn ich muss oft schnell Entscheidungen treffen oder einholen, um den Projektfortschritt sicherzustellen, damit nichts ins Stocken gerät.
Sie leiten zurzeit mit Ihrer Kollegin Ulla Roßgotterer das Mammutprojekt „Neue Bahnbrücke Kattwyk“. Worin liegt für Sie der Reiz bei diesem Projekt?
Zum einen natürlich die hohe Komplexität des Projektes, die unheimlich viel Flexibilität erfordert. Es handelt sich bei dem Projekt um keinen Standard, denn etwas Vergleichbares hatten wir in der Art und Größenordnung so noch nicht. Dadurch müssen wir uns viel selbst erarbeiten und können nicht auf bestehende Strukturen zurückgreifen. Zum anderen liegt der Reiz darin, dass wir sehr viele Beteiligte, sowohl Externe als auch Interne, an dem Projekt haben. Und das Wichtigste ist unser großes Team, das einfach super funktioniert und ganz viel Spaß macht.
Die Brücke gilt schon jetzt als Jahrhundertbauwerk und wird in der aus dem Tunnelbau bekannten „Caisson-Bauweise“ errichtet. Können Sie für Laien kurz erklären, was dabei die Besonderheit im Vergleich zum üblichen Brückenbau ist?
Auf Grund der außergewöhnlichen Lage in direkter Nachbarschaft zur bestehenden Kattwykbrücke, in Kombination mit dem bestehenden Baugrund, haben wir uns für diese Bauweise entschieden. Eine bewegliche Brücke ist eigentlich nichts anderes als eine große Maschine. Daher müssen wir verhindern, dass durch den Bau Bewegungen oder Setzungen entstehen und den Bestand schädigen.
Im Grunde bauen wir zwei elfstöckige Hochhäuser verkehrt herum in die Elbe. Zuerst erstellen wir den Keller und hängen ihn an eine Baugrube. Dann betonieren wir das Erdgeschoss und lassen es ein Stückchen weiter herunter. Dann folgt das erste Geschoss, das wir wieder ein Stückchen weiter herunterlassen, bis irgendwann das Bauwerk die Elbsohle berührt und dort fest auf dem Boden steht. Danach folgt die nächste Bauphase, bei welcher wir den darunterliegenden Elbgrund ausbauen müssen. Die vorherigen Bauphasen, also Betonieren und Ablassen, laufen dabei genauso weiter wie bisher, bis wir das volle Bauwerk errichtet haben. Das Ausheben des Baugrundes unter dem Bauwerk erfolgt von Hand. Dafür wird unter dem Bauwerk ein Hohlraum geschaffen und per Luftüberduck wasserfrei gehalten, so dass dort Arbeiter trockenen Fußes auf dem Elbgrund stehen können. So bauen wir beide Strompfeiler setzungsarm von oben nach unten und nicht klassisch von unten nach oben. Diese Bauweise kommt eigentlich aus dem Tunnelbau, wo das Gleiche auf horizontale Art und Weise durchgeführt wird. So ist übrigens auch der alte Elbtunnel entstanden. Wir bauen quasi bei der Neuen Bahnbrücke Kattwyk zwei Tunnel, die nur eben vertikal und eckig statt horizontal und rund sind.
Ihr Team ist mit ca. 55 Kolleginnen und Kollegen recht groß. Das Projekt besteht aus mehreren Tausend Einzelplänen und wird im Wesentlichen von elf Unternehmen ausgeführt. Wie bekommen Sie das alles logistisch unter einen Hut?
Obwohl wir mitten im Hafen und in einem Industriegebiet liegen, ohne wirkliche HVV-Anbindung und ohne Kantine vor der Tür, arbeiten alle sehr gerne vor Ort im Baucamp. Dies funktioniert nur mit einem super eingespielten und sich gegenseitig vertrauenden Team, welches sich nicht nur mit dem Bauwerk, sondern auch mit den Zielen identifiziert. Des Weiteren haben wir kein Flaschenhalsprinzip, wo alles durch eine Projektleiteretage hindurchmuss, sondern eine sehr flache Hierarchie. So erhält jeder seinen eigenen Bereich und auch Raum für eigene Entscheidungen.
Bisher ist bei diesem Projekt eigentlich alles nach Plan gelaufen. Welche einschneidenden Etappenziele haben Sie in den letzten Monaten erreicht und was sind die nächsten Meilensteine?
In den letzten Monaten haben wir zwei Hauptmeilensteine erreicht. Zum einen haben wir Anfang dieses Jahres die beiden Strompfeiler auf Endtiefe gebracht, so dass diese nun in einer Tiefe vom minus 30 Meter NN sitzen. Zum anderen haben wir im Juni/Juli die Stahlpylone aufgesetzt, welche nun bis auf plus 80 Meter NN hochragen. Damit haben wir ein knapp 110 Meter hohes Bauwerk errichtet. Insgesamt stehen schon knapp 90 Prozent der Brücke. Der nächste große Meilenstein folgt im Dezember, dann werden wir das Mittelteil einschwimmen, also das Hubteil, welches aus 2.000 Tonnen Stahl besteht. Dann ist die Brücke im Grunde komplett und es fehlt nur noch die Fertigstellung der Verkabelung, der Test- und Probebetrieb und letztendlich der Umschluss der vorhandenen Gleise von der alten auf die neue Brücke.
Der Winter steht vor der Tür. Inwieweit ist der weitere erfolgreiche Ablauf des Projektes von den Wetterbedingungen abhängig?
In den letzten Jahren waren wir sehr abhängig vom Wetter, da bei einer Wasserbaustelle die Wasserstände maßgebend sind und bei jedem Orkan auf der Nordsee besteht immer die Gefahr einer Sturmflut. Jetzt arbeiten wir zusätzlich in großer Höhe, in der bereits starker Wind Probleme bereitet.
Werden Sie in kritischen Momenten auch mal nervös oder bleiben Sie in jeder Situation gelassen?
Ich bleibe eigentlich sehr gelassen. Für mich selber gilt der Leitspruch: Wir operieren hier nicht am offenen Herzen. Kurzschlussreaktionen bringen gar nichts und hektisch getroffene Entscheidungen führen meist auch zu nichts Gutem. Es liegt auch ein bisschen an meinem Berufsbild, der Ingenieur an sich ist in der Regel entspannt.
Bei gleichbleibender Verkehrsbelastung wäre die alte Kattwykbrücke in absehbarer Zeit nicht mehr brauchbar. Inwieweit wird sie entlastet, wenn der Bahnverkehr über die neue Brücke läuft?
Schon deutlich. Wenn Sie sich vorstellen, dass bei einem Zug 6.000 Tonnen Stahl auf Stahl laufen und ein LKW nur 40 Tonnen wiegt und mit Gummibereifung fährt, dann kann man sich vorstellen, was für eine Belastung jeder Zug für eine Brücke ausmacht.
Wissen Sie schon, womit Sie sich bei der HPA im Anschluss beschäftigen werden?
Nein, ich habe keine Ahnung! Ich hoffe, dass ich mich dann in irgendeiner Form weiter mit den Themen Lean Management und Allianzverträge beschäftigen kann. Das interessiert mich sehr.
Was ist das genau?
Lean Management ist eine neue moderne Methode des Projektmanagements, die gerade in der Bauindustrie eine große und neue Rolle spielt. Dabei geht es um eine Vereinfachung und Verschlankung der Prozesse. Das ist, wie ich finde, ein sehr erfolgreiches Tool. Allianzverträge sind eine neue Vertragsform für größere Kooperationen. Damit sollen große und komplexe Bauprojekte mit vielen Beteiligten möglichst streitfrei abgewickelt werden. Wir hoffen, dass diese Vertragsform so erfolgreich ist, dass wir damit auch weiterarbeiten können.
In Ihrer leitenden Funktion haben Sie sicher nicht immer geregelte Arbeitszeiten. Wie geht Ihre Familie mit Ihrem Arbeitspensum um?
Mein privates Umfeld pflegt eigentlich generell einen flexiblen Lebensstil wie ich, daher passt der Job ganz gut da rein. Die flexiblen Arbeitszeiten bedeuten zwar, dass man häufig abends länger oder auch am Wochenende arbeiten muss, aber dafür hat man dann auch mal zu Zeiten frei, in denen alle anderen arbeiten müssen. Für mich ist es nur wichtig, einen festen Anker durch gemeinsam verbrachte Zeit zu haben und sich Auszeiten auch konsequent einzuplanen.
Was ist Ihr persönlicher Anker, um nach einem anstrengenden Tag gut abzuschalten?
Ganz klar: nach Hause kommen, mit meiner Frau und unserem Hund spazieren oder joggen gehen, sich in Ruhe austauschen und auf jeden Fall keinen Handy- oder E-Mail-Empfang.
Halten Sie sich in Ihrer Freizeit auch gerne im Hafen auf und was ist dort Ihr Lieblingsplatz?
Mein Lieblingsplatz ist selbstverständlich die Kattwykbrücke (lacht). Ehrlich gesagt, halte ich mich in meiner Freizeit nicht im Hafen auf, da es ja ein reines Industriegebiet ist. Wenn ich sagen müsste, wo ich gerne Zeit im Hafen verbringe, dann wäre das in die HafenCity. Die hat sich sehr gut entwickelt und ist nah am Hafen, hat aber mit dem Hafen selbst ja eigentlich nichts zu tun.
Vielen Dank für das Interview.